BUJ-Stellungnahme zum Regierungsentwurf zur Einführung der virtuellen Hauptversammlung

 

14.06.2022

Der BUJ hatte in seiner Stellungnahme vom 11. März 2022 den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz für ein Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften vom 9. Februar 2022 begrüßt, lediglich punktuelle Änderungen angeregt und den Gesetzgeber ermutigt, dieses Reformvorhaben möglichst zügig umzusetzen.

Der von der Bundesregierung am 27. April 2022 beschlossene und von den Regierungsfraktionen als Fraktionsentwurf in den Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften und Änderung weiterer Vorschriften (im Folgenden Regierungsentwurf bzw. RegE) weicht dagegen ganz grundlegend vom Referentenentwurf des BMJ ab.

Er stellt einen Konzeptwechsel dar und schafft ein neues Format der virtuellen Hauptversammlung, losgelöst von der Hauptversammlung nach den Vorgaben des Ende August 2022 auslaufenden Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG).

Anstelle der weitgehenden Verlagerung des Aktionärsdialogs ins Vorfeld des Tages der Hauptversammlung sollen nun der Ablauf der virtuellen Versammlung und die Ausübung der Aktionärsrechte möglichst nah an Präsenzversammlungen angelehnt werden. Der Fokus soll danach auf der Ausübung der Teilhaberechte der Aktionäre am Tag der Hauptversammlung liegen. Dazu kommt, dass der Regierungsentwurf auf wichtige Filterfunktionen aus dem Referentenentwurf zur angemessenen Kanalisierung von Fragen und Wortbeiträgen verzichtet.

Die Ausübung der Aktionärsrechte wird über das erforderliche und angemessene Maß hinaus ausgedehnt. Abläufe, wie etwa die Fragenbeantwortung, werden verdoppelt, ineffizient und, mangels klarer Regelungen zu versammlungsleitenden Maßnahmen, praktisch nicht mehr handhabbar. Dies gilt insbesondere für Publikumsgesellschaften bzw. Aktiengesellschaften mit großem Aktionärskreis.

Aus Sicht der Praxis sind insgesamt erhebliche Nachbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren erforderlich, damit die virtuelle Hauptversammlung als Versammlungsformat überhaupt in der Praxis in Erwägung gezogen wird und nicht wie die seit 2009 zulässige Online-Hauptversammlung weitgehend ungenutzt bleibt. Der größte Änderungsbedarf – betrachtet man die Praxistauglichkeit der virtuellen Hauptversammlung – besteht vor allem im Hinblick auf die nach dem RegE nicht gelungenen Regelungen zum Frage- und Antragsrecht. Zu konkreten Änderungsvorschlägen, wie beide Themenkomplexe sinnvoll und bei gleichwertigem Erhalt der Aktionärsrechte geregelt werden könnten, verweisen wir auf unsere diesbezüglichen Ausführungen auf den folgenden Seiten.

In der BUJ-Stellungnahme werden konkrete Nachbesserungen vorgeschlagen, die insbesondere Publikumsgesellschaften bzw. Aktiengesellschaften mit großem Aktionärskreis betreffen.