General Counsel Roundtable zum
Thema ESG in Stuttgart mit EY Law

 

18.12.2023

Rund zwei Drittel der im EY Law Survey befragten Unternehmen haben sich noch nicht oder nur gering mit den bestehenden oder kommenden Regularien aus dem ESG-Umfeld beschäftigt. Darunter sind zum Beispiel CSRD, CS3D und die Deforestation Regulation, also Regelungen, die einen Großteil der deutschen Unternehmen betreffen werden. Mit dieser erschreckenden Erkenntnis eröffnete unser Gastgeber EY Law den General Counsel Round Table am 05.12.23 in Stuttgart. Rund 30 General Counsel waren gekommen, um sich zum Thema ESG auszutauschen.

Dr. Christian Rau von Olympus berichtete zusammen mit Christian Hell von EY Law zum Zusammenspiel von ESG-Compliance-Management und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Gesetzliche Regelungen, die vor fünf Jahren noch als „Spinnereien ökologischer Fundamentalisten abgetan worden wären, sind heute Realität, mit der sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Neben dem „ESG-Tsunami“ müssen auch sozio-kulturelle Einwirkungen auf das Unternehmen gemanagt werden, die als „Hochwassermarke“ auch über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen können.

Die künftige europäische ESG-(Berichterstattungs-)Landschaft soll durch Transparenz die nachhaltige Transformation forcieren. Neben den damit verbunden Risiken solle man aber auch die Möglichkeiten sehen, so die Referenten. Gerade auch Unternehmen im Familienbesitz und KMU hätten hier Möglichkeiten, die bislang nicht ausgeschöpft sind. Die Qualität der Daten sei entscheidend und daran werden sich Unternehmen messen lassen müssen.

Organisatorisch spräche viel dafür, das entsprechende Reporting bei der Finanzabteilung anzusetzen. Die Nähe zum finanziellen Reporting und die Erfahrung mit Prüfung, Datenerhebung und Reporting sind Argumente dafür. Die Referenten betonten aber auch den ganzheitlichen Ansatz, der für ein erfolgreiches ESG-Management erforderlich ist. EY Law erwartet, dass der künftige Non-Financial-Berichtsteil 50-200 Seiten im Lagebericht ausmachen wird.

Es entspann sich eine Diskussion darüber, welche Rolle die Rechtsabteilung dabei einnimmt. Dr. Rau betonte, dass Syndikusrechtsanwälte wichtige Fähigkeiten in den Prozess mit einbringen, z.B. die Fähigkeit zur Analyse von Hard und Soft Law und der Umgang mit Unschärfen. Inhouse Juristen müssen aber auch interdisziplinär denken lernen und eine gemeinsame Sprache mit den anderen Stakeholdern finden sowie ihren Platz am Tisch einfordern. Eine Positionierung als strategischer Partner in ESG-Fragen sollte dafür angestrebt werden.

ESG in Lieferverträgen

Zum Umgang mit Lieferanten und den verschiedenen Aspekten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hatten Dr. Malgorzata Hartwig von Archer Daniels Midland und Sebastian Wurzberger von EY Law viele praktische Überlegungen und Hinweise mitgebracht. Wie gestalte ich Verträge vor dem Hintergrund des „ESG-Flächenbrandes“ und was ist realistisch vertraglich umsetzbar?

Es ging um Art und Umfang der Umsetzungspflichten, Insbesondere die Risikoanalyse. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Qualität der Handreichungen immer im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen stünde. Jedenfalls sei die Qualität der eigenen Dokumentation und Plausibilität der Bemühungen entscheidend.

Dabei wurden auch Widersprüche zwischen Zielsetzung des Gesetzgebers und den tatsächlichen Konsequenzen in den Unternehmen behandelt. Ertüchtigt man einen Lieferanten, wenn man für Verstöße Vertragsstrafen oder Kaufpreisminderungsansprüche vereinbart, gleichzeitig aber niedrigere Einkaufspreise fordert? Es wurde auch darüber berichtet, dass aus praktischen Erwägungen Lieferbeziehungen zu bestimmten Ländern wegen ESG-Anforderungen abgebrochen oder dies zumindest geprüft wurde.

Beschaffung von ESG-Daten und Einsatz von Legal Tech

Dr. Achim Grothaus und Sebastian Wurzberger, beide von EY Law, setzten sich damit auseinander, wie die Beschaffung von ESG-Daten im Vertragsverhältnis mit dem Partner durch den Einsatz von Legal Tech bewerkstelligt werden kann. Sie vertreten einen ganzheitlichen Ansatz, der die Zusammenführung der verschiedenen ESG-Anforderungen und Daten in einem Tool befürwortet. Eine solche Lösung sei effizienter und preiswerter. Außerdem sei unter Risikogesichtspunkten der Ansatz, nur einen geringen Teil der Verträge zu prüfen und anzupassen, nicht mehr tragbar.

Sie stellten am Beispiel des eigenen Tools Luminance vor, wie eine solche Lösung aussehen kann. Es wurde betont, dass die Rechtsabteilung und das Vertragsmanagement wichtig für die Datenbeschaffung seien. Da die Tools zwar gut sind, aber noch nicht allein arbeiten, sei weiterhin menschlicher Input in Form eines Playbooks bzw. Überprüfung der Ergebnisse notwendig.

Hinweisgeberkanäle

Nach einer Einführung zu den Unterschieden zwischen LkSG und HinSchG, zeigten Dr. Nicole Spreng von Schwanhäußer und Philip Nagel von EY Law an Praxisbeispielen, wie einzelne Aspekte zu Hinweisgeberkanälen bei der Schwan-Stabilo-Gruppe umgesetzt wurden. Die Gruppe hat sich für einem einheitlichen Meldekanal entschieden, weil verschiedene Lösungen für den Meldenden nicht praktikabel sind. Dabei waren die verschiedenen Anforderungen der Konzernunternehmen und Produktgruppen unter einen Hut zu bringen.

Frau Dr. Spreng stellte am Beispiel des Konzernunternehmens Deuter dar, dass es durch die Mitgliedschaft bei der Fair Wear Foundation schon eine längere Tradition eines Meldekanals gibt. Meldungen dort und ihre Bearbeitung sind öffentlich und somit transparent. Der Umgang mit einem Meldesystem war also bereits bekannt.

Bei der Analyse in der eigenen Unternehmensgruppe hatte sich dann ergeben, dass auf globaler Ebene unterschiedliche Kommunikationswege im Sinne eines barrierefreien Zugangs sinnvoll waren. Ziel war es, nah an den Betroffenen zu sein, aber gleichzeitig das Spannungsfeld zum Datenschutz zu bewältigen. So hat man zum Beispiel bei einem engen Zulieferer in Vietnam einen Meldekanal mittels der dort beliebten App Zalo einschließlich ChatBot in Landessprache eingerichtet. Mit entsprechenden QR-Codes in den Produktionsstätten wurde lokal auf den Meldekanal hingewiesen.

Dr. Spreng betonte, dass mit dieser Art der Umsetzung die Entwicklung des Lieferanten im Vordergrund stehen sollte und nicht die Repression. Sie vertrat die Auffassung, dass sich diesbezüglich ein Paradigmenwechsel andeutet.

Alle Beteiligten waren sich einig, dass auch dieser General Counsel Roundtable eine gelungene Veranstaltung mit viel praktischem Austausch und wichtigen Impulsen für die eigene Arbeit war.