PM: Gesetzentwurf zur Einführung der virtuellen Hauptversammlung hält Praxischeck nicht stand

 

27.04.2022

Den heute vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Einführung der virtuellen Hauptsammlung kommentiert der BUJ wie folgt:

„Es ist enttäuschend, dass die Bundesregierung die Chance nicht nutzt, künftig gut strukturierte, zukunftsgerichtete und für alle Aktionäre attraktive virtuelle Hauptversammlungen zu ermöglichen. Die nun vorgeschlagenen Regelungen gehen an den praktischen Bedürfnissen vorbei – die virtuelle Hauptversammlung wird so in Deutschland insbesondere für größere Publikumsgesellschaften totes Recht werden,“ so Dr. Claudia Junker, Präsidentin des BUJ.

Der Gesetzgeber hatte zu Beginn der COVID-19-Pandemie durch schnelles und überlegtes Handeln die virtuelle Hauptversammlung für Aktiengesellschaften eingeführt. Sie hat sich als Alternative zu einer Präsenzhauptversammlung bewährt: In den vergangenen zwei Jahren zeigten sich deutlich verschiedene Vorteile der virtuellen Hauptversammlung im Vergleich zu einer Präsenz-Hauptversammlung. So nimmt an einer virtuellen Hauptversammlung eine weitaus größere Zahl an Aktionären teil, es beteiligen sich mehr Aktionäre aktiv, indem sie Fragen zu Gegenständen der Tagesordnung stellen, und die Antworten des Unternehmens sind durch die Voreinreichung der Fragen besser aufbereitet.

Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom Februar 2022 griff diese positiven Praxiserfahrungen auf. „Zusätzlich war“, so Dr. Claudia Junker, „eine ganze Reihe von Ideen umgesetzt, um den bisherigen Nachteil der fehlenden Interaktivität des bisherigen virtuellen Formats durch neue Elemente auszugleichen“.

Der heute vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf hingegen weist weitreichende Änderungen zum Referentenentwurf auf und nutzt die Besonderheiten und Chancen virtueller Hauptversammlungen nicht. Stattdessen werden den Aktionären zusätzlich zu den Rechten, die sie in einer virtuellen Hauptversammlung in den letzten Jahren hatten, parallel auch alle Rechte eingeräumt, die sie in einer Präsenzversammlung haben – es werden „gedoppelte“ Rechte und Abläufe geschaffen.

Durch den Verzicht auf die Entzerrung des Hauptversammlungsdialogs sowie die Dopplung der Aktionärsrechte erhöht sich der Aufwand für Unternehmen enorm – ohne den spezifischen Nutzen der virtuellen Durchführung für Aktionäre und Gesellschaften zu heben.

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, den bürokratischen Aufwand von Gesetzen systematisch unter Einbeziehung der Stakeholder einem Praxischeck zu unterziehen. Noch besteht der Regierungsentwurf diesen Praxischeck aus Sicht des BUJ nicht – Bundesrat und Bundestag sind nun gefordert, der virtuellen Hauptversammlung wieder eine echte praktische Perspektive zu geben.